Wie kann man etwas managen, das einem nicht gehört? Etwas, von dem man nie genug hat? Buddy Müller behilft sich nach dem Lesen von hunderten von Zeitmanagement-Ratgebern mit etwas Mathematik.

Nur 4000 Wochen, so habe ich es neulich in einem gleichnamigen Buch gelesen, sei die Lebensspanne eines Menschen. 4000 Wochen, rund 80 Jahre, schreibt der Autor Oliver Burkeman, dem ein kleines, kluges Werk gelungen ist. 80 Jahre, wenn der Mensch Glück hat.
„Klingt nach gar nicht so viel Zeit“, sagte ich zu Brad MacCloud, meinem MacBook Pro. „Schon gar nicht für IT-Geräte. Ihr seid nach drei Jahren abgeschrieben.“
„Wenn du das Leben siehst wie ein Controller“, antwortete Brad. „Schau mal genauer hin.“
Denn, sagte Brad, woraus er bestünde, das seien Silizium- und Aluminiumoxid und aus ein paar mehr oder weniger edlen Metallen. Sowie aus jeder Menge Elektronen.
„Solange es das gibt, gibt es die Zeit“, sagte Brad MacCloud. „Und umgekehrt. Das ist die Cloud, in der wir leben.“
Ein Regalmeter Ratgeber
Ich ließ diese philosophische Betrachtung an mir vorbeiziehen und meinen Blick über Brads Bildschirmrand hinweg schweifen. Hinüber zum Bücherregal, in dem ich einen Meter Literatur über Zeit- und Projektmanagement aufbewahre. Unter anderem Bücher, aus denen Burkeman zitiert.
Allein schon deswegen muss ich seine „4000 Wochen“ ein kluges Buch nennen.
„Das Ziel“ schmiegte sich im Regal mit allen Fortsetzungen rund um „Die Vier-Stunden-Woche“ und „Ich schaff das!“, daneben lagerten mehrere Werke mit „Kanban“ oder „Methode“ im Titel. Das verfügbare Potenzial hatte ich bei weitem nicht ausgereizt, lieferte doch ein ortsansässiger Buchversand rund 2600 deutschsprachige Ergebnisse auf die Suche nach „Zeitmanagement“.
Den Abschluss meiner Ratgeberreihung bildete ein Exot: „Gödel, Escher, Bach“, ein Schinken aus den 80er Jahren von Douglas R. Hofstadter, Physiker, Computer- und Sprachwissenschaftler.
Schon damals ein Nerd.
„Das Buch wäre etwas für Dich, Brad“, sagte ich. „Es ist eine einzigartige Mischung“, erklärte ich, „aus Logik, Geometrie, Musik, Teilchenphysik, Linguistik und Zen-Buddhismus. Inklusive eines Querverweises auf Zeitmanagement: Die Hofstadter-Regel …“
„Ich weiß“, unterbrach mich Brad. „Es heißt, dass nur fünf Menschen das Buch je ganz gelesen und ganz verstanden hätten.“
Ich starrte stumm in Brads Kameraauge.
„Man kann halt nicht alles haben, Buddy“, sagte Brad.
A, B oder D?
Dabei habe ich, Buddy Müller, Senior Project Supervisor in der weltweit führendsten Content-Marketing-Agentur Deutschlands, diesen Job ja nicht von ungefähr. Meine ersten Schritte im Zeit- und Projektmanagement machte ich mit meinem Hausaufgabenheft.
Dieses Heft wurde so lange von meinen Lehrern wegen seiner Akkuratesse geliebt, bis sie feststellten, dass die Kritzeleien im Heft ernstzunehmende Cartoons waren, in denen sie sich selbst und wenig später in der Schülerzeitung wiederfanden.
Mit Eintritt ins Berufsleben machte ich mich schnell mit der ABC-Methode für aufstrebende Führungskräfte vertraut. Im Grunde sehr simpel: Am Vorabend priorisiert das Nachwuchstalent seine Aufgaben nach den Kategorien A, B oder C – und arbeitet sie am Folgetag ab.
„Dadurch lerntest Du, bis D zu buchstabieren“, sagte Brad MacCloud. „D für Delegieren.“
Mir wurde tatsächlich schon früh bewusst, wie wichtig es war, Kolleginnen und Kollegen für das vollständige Übernehmen meiner Aufgaben zu identifizieren. Eine Grundvoraussetzung für einen guten Projektmanager.
Weniger erfreulich: Ich nahm die Aufgaben des Nachts mit ins Bett und wälzte mich mit ihnen. Meine damalige Freundin hätte sich sicherlich anderes vorgestellt – jedenfalls niemanden, der im Halbschlaf Deadlines vor sich hinmurmelte.
„Ein Wunder, dass sie dich trotzdem geheiratet hat“, kommentierte Brad.
Es war nur eine Frage der ersten Gehaltserhöhung, das ABC-Modell auf ein in genarbtes Leder gebundenes Timesystem zu adaptieren (als „vegan“ noch mit dem Attribut für außerirdische Lebensformen verwechselt wurde).
Das Timesystem bot zwei Seiten pro Tag, genügend Platz, um Aufgaben zu detaillieren und genügend Zwischenräume, um Ad-hoc-Wünsche meiner Kunden und insbesondere des Chefs dazwischen zu pressen.
Es dauerte Jahre, bis ich merkte, dass ich damit zwar meine Aufgaben zur allseitigen Zufriedenheit zügig erledigen konnte. Aber die Aufgaben wurden nicht weniger, sondern mehr. Unterm Strich hatte ich weniger Zeit für mich oder gar für meine Familie zur Verfügung.
Sowohl mein Chef als auch meine Kunden hatten schnell herausgefunden, dass man mir, Buddy Müller, ohne weiteres noch weitere Aufgaben zuschieben konnte. Warum auch sie jemanden geben, der langsamer oder ungenauer arbeitete?
Also musste ein neues System her. Eines, das Beruf und Leben gleichermaßen regelte.
Einsicht auf 50.000 Fuß
Ich startete durch: mit „Getting Things Done“, beginnend auf Normalnull, auf der „Startbahn“, arbeitete ich mich gemäß Buch auf zehn-, zwanzig-, ja, bis auf fünfzigtausend Fuß Flughöhe hoch. Von den Eingangskörben über die nächsten Schritte und Absichten, Ziele und Visionen hin zu den Grundwerten und zum Zweck (der als Purpose nun für die gesamte Arbeitswelt verpflichtend ist).
Dieses meist hochgelobte Standardwerk des Zeit-, Projekt- und Selbstmanagements lehrte mich einen Überblick zu bekommen – mit buntrückigen Leitzordnern, verschiedenfarbigen Plastikmappen sowie deren digitalen Umsetzungen in Microsofts Planner, in Todoist oder auf Trello.
Ich stellte ferne Lebensträume und aktuelle Projektziele ebenso dar wie die vielen Kleinigkeiten des Agentur- und Haushaltsalltags, die ich keinesfalls vergessen durfte: Den Facebook-Post, der im Kundenauftrag bis 12:00 Uhr mittags am Sonntag fertig sein sollte, erfasste ich ebenso wie dass spätestens abends die Mülltonne rausgestellt werden musste.
Mein ursprünglicher Wunsch allerdings, entspannter mit allen Herausforderungen umzugehen und – spätestens – am Sonntag mehr Zeit für mich, für meine Familie und meine Ziele zu haben, trat trotzdem stets in den Hintergrund.
Der Hausmüll bekam für mich die gleiche Priorität wie der Kunden-Post auf Facebook.
„Vielleicht, weil beides eine gewisse Ähnlichkeit hat“, sagte Brad MacCloud.
Eine Folge, eine Regel
Gerade, als ich ihn über die inhaltlichen Qualitäten des Posts belehren wollte, schließlich hatte ich ihn ganz den Kundenwünschen nach „mehr Storytelling“ und „flotter, jünger, aber doch für alle“ selbst geschrieben – da besann ich mich eines Besseren.
„Im Grunde ist alles eine Frage des wirklich Wichtigen“, sagte ich. „Und wieviel Zeit man sich für seine Aufgaben gibt.“
Künftig würden wir neu planen. Und anders: „Mit der Hofstadter-Regel“, sagte ich.
„Äh, mit was?“, fragte Brad.
„Das Buch“, erinnerte ich ihn, „von dem es angeblich nur fünf Menschen gibt, die es ganz gelesen und ganz verstanden haben.“
Brad starrte mich stumm mit seinem Kameraauge an.
Ich verschwieg meinen eigenen Versteh-Status. Brad musste ja nicht alles wissen.
Es reichte, dass ich wusste, wie ich künftig Zeit- und Projektplanung anzugehen hatte.
Die Hofstadter-Regel sei eine mathematische Folge, erklärte ich. Sie besagt, dass selbst, wenn man weiß, dass ein Projekt länger dauern wird, und man seinen Zeitplan mit einem Puffer entsprechend anpasst, dann auch die neu geschätzte Dauer der Fertigstellung garantiert überschritten wird.
Das hat zwei Konsequenzen. Zum einen wird ein Ratschlag zur Planung, etwa sich immer zweimal mehr Zeit zu nehmen, als man zu benötigen glaubt, die Sache immer verschlimmern. Mindestens verlängern.
Zum anderen: Man muss das einfach akzeptieren.
„Es gibt Gesetze des Lebens“, sagte ich, „die kann man nicht in Frage stellen.“
Berühmte Beispiele, bei denen offensichtlich dieses Prinzip Anwendung gefunden hatte, gab es genug. Das Opernhaus in Sydney – 14 Jahre statt vier Jahre Bauzeit. Die Elbphilharmonie in Hamburg – 15 Jahre statt drei Jahre Bauzeit. Der Berliner Flughafen … ach, lassen wir das, auch der Schienenverkehr hat einiges zu bieten: etwa den Stuttgarter oder den Münchner Hauptbahnhof. Bei der Deutschen Bahn geht man davon aus, dass in den 2040er Jahren wieder ein reibungsloser Schienenverkehr durch Deutschland möglich sein wird.
„Was sind dagegen schon Projekte wie Webseiten-Relaunchs, Content-Hubs, Kundenmagazine?“, fragte ich Brad.
Er überlegte kurz, schien nachzurechnen.
„Auf alle Fälle reichen sie aus“, sagte er dann, „um den Rest Deiner 4000 Wochen zu füllen.“
Wenn Projekte sich zu Zeitfressern entwickeln, setzt sich Buddy Müller gerne hin, gießt sich ein Glas Whisky ein und lauscht Werken aus seiner umfangreichen Soundtrack-Sammlung.
Insbesondere die Stücke „As Time goes by“ oder „We have all the Time in the World” erweisen sich als akustische Hilfestellungen, um eine Entspannungsphase einzuleiten.
Den Rest erledigt der Scotch.
Hi Buddy! Und natürlich gehen auch Grüße raus an Brad – ich hoffe er hat die Vorstellung des diesjährigeniPhone SE als Scherz abgetan – ich habe mein uraltes iphone 6S+ mal dagegen gehalten und jetzt weiss ich nicht, ob das mit Absicht so retro gestylt ist oder ob man glaubt, dass ein Apple-Jünger (Nomen est Omen) sich nicht an die Zeit des Schwarzweiss-Fernsehens zurück erinnern kann?..
Aber lassen wir das – mich wundert ja nicht mehr viel auf diesem Planeten..
Räusper, räusper.. Kunstpause… stell Dir jetzt bitte vor, dass ich meine Brille zurechtrücke und einen Professoren-Blick aufsetze. Aber nicht den männlichen und frauenbetörenden Blick von Harrison Ford als Indiana Jones – nein, den von Eddie Murphy als Professor Sherman Klumps.. Hast Du?..
Hmm.. Escher – lautmalerisch klingt es ähnlich wie die neue „AZURE“ Super-Cloud von microsoft. Ich Tröttelchen habe es immer „Ezür“ ausgesprochen – mit der gedanklichen Verbindung zur wunderschönen Cote’d Azur – aber mein Denkfehker war ja schon, „Microsoft“ und „wunderschön“ in einem Gedanken zu vereinen.
Nach den Lehrgängen der Experten, weiss ich zwar jetzt nicht besonders viel von der Wolke – aber wenigstens, dass die Amis die „Escher“ aussprechen.
Ansonsten ist Escher (beziehungsweise seine verwirrenden schwarzweiss-Zeichnungen) so ein bißchen wie „Harry Potters Hogwards“ – egal, welche Treppe man nimmt – man kommt nie da an, wo man hin will, weil sich ständig alles verschiebt. (Hmm.. bei den ganzen Beispielen aus Spielfilmen komme ich zu dem Schluß, dass ich zuviel vor der Glotze sitze..)
Und bei 4000 Wochen gesamter Lebenszeit musste ich auf meinen Unterarm schauen, denn da dürften bei meinem Greisen-Alter nur noch ein paar Restwöchelchen leuchten.. (Na, welcher Film war das?.. Na, na, sag es.. sag es…. Spoileralarm: „In Time – Deine Zeit läuft ab“ mit Justin Timberlake)
Das passt dann natürlich perfekt zu Zeitmanagement – man kann es noch so perfekt planen – das Karma lacht sich darüber kaputt und wird dir, wo immer es geht Steine in den Weg legen – ich meine, hey.. Dir den Tag zu versauen, ist schließlich sein Job.
Dazu kommt, dass andere Menschen unglaublich gerne deine Planung torpedieren. Grade in der Politik und in Großkonzernen (was ja fast identisch ist) ist es gelegentlich zum verzweifeln. Man sollte glauben, dass je mehr Menschen an einem Projekt arbeiten, es dann schneller geht – aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Dazu verhält sich die Projektdauer exponentiell mit der Anzahl der involvierten Mitarbeiter. Bist Du alleine, schaffst Du es just in Time, den Termin zu halten. Mit einem weiteren Mitarbeiter brauchst Du doppelt so lange, mit noch einem weiteren, bereits 4mal so lange, weil der eine sich wie bei deinem „lang“ und „länger“ auf den anderen verlässt, und umgekehrt – was dazu führt, dass natürlich überhaupt nichts gemacht wurde. Plötzlicher Termindruck und erzieherische Maßnahmen, wie das streichen des Prosecco führen augenblicklich zu Weinkrämpfen, Burnouts und monatelangen krankheitsbedingten Ausfällen..
Im Ernst. glaubst Du, ich hätte meine „Casa Dr. Nerd“ (ich berichtete darüber) in relativ kurzer Zeit fertig bekommen, wenn ich mich auf andere Menschen verlassen hätte?..
Dann würde ich immer noch Knietief im Bauschutt stehen.. 😉
Bleib gesund – grüße an alle (sofern es dein enger Zeitplan zulässt..)
CU
P.
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Mein lieber P. aka Dr. Nerd,
Brad MacCloud wirkt gerade etwas geistesabwesend – von seinem Lachanfall wegen Deines Azure-Gags hat er sich erholt, aber ich glaube, er treibt sich gerade auf Deinem Blog http://www.nerd-o-mania.de herum. Im besten Fall schaut er sich nur die Beiträge an, aber falls Deine Serverin Schwächesymptome zeigt, dann weißt Du, wo sie herkommen.
Was die ewigen Gesetze des Zeitmanagements betrifft, hast Du einen sehr guten Punkt gemacht: Die Projektdauer verhällt sich exponentiell zur der Anzahl der involvierten Mitarbeiter. Burnouts, Weinkrämpfe, Entzugserscheinungen und – bei öffentlichen Aufträgen – die Parteizugehörigkeit sind weitere retardierende Faktoren, die in den Planungsalgorithmus aufgenommen werden müssen. Oder man macht alles selbst – wie Du bei Deiner „Casa Dr. Nerd“. Sieht gut aus, was Du aus der Bude gemacht hast.
Deine Grüße werde ich gerne ausrichten – ich habe mir für jeden Tag eine Kollegin und einen Kollegen eingetragen, da komme ich locker bis Ende der Woche durch. Sogar über den Vatertag hinweg. Hm, endlich ein Tag, an dem ich in Ruhe arbeiten kann. Mal ohne Plan. (Und sag jetzt nicht, dass ich immer planlos bin. Dafür ist Qwertz zuständig.)
Liebe Grüße, schönen Restsonntag
Buddy
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