#folge34 #25Ausreden

Um sich aus der Verantwortung zu stehlen, sind 25 Fragen und 25 Antworten offensichtlich ein geeigneter Weg. Buddy Müller hat nun branchenübergreifend Repliken zusammengestellt, um aus jeder Projektschieflage heil herauszukommen.

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Um es vorweg zu sagen: Ich bin ein großer Fan von Haltung. Ich meine nicht von einem im Unternehmensdialekt weichgespülten Purpose, sondern von echter Haltung. Die unter anderem bedeutet, den Rücken gerade zu machen und Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen.

Nun neigen manche Kunden dazu, meist, wenn ein Projekt zu kippen droht, manchmal auch vorher, manchmal einfach aus Prinzip, also, sie neigen dazu, Agenturmenschen zur Verantwortung zu ziehen und sie vorzuführen. Wenn es schließlich darum geht, das eigene Unvermögen zu kaschieren und einen alleinigen Schuldigen zu finden, dann stehen Agenturmenschen immer in der ersten Reihe und schließlich am Pranger.

„Wofür hält man sich schließlich Dienstleister?“, fragte Brad MacCloud, mein MacBook Pro, rein rhethorisch.

„Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, warum wir Menschen uns die Informationstechnik haben einfallen lassen“, sagte ich. „Manchmal braucht man einen Sündenbock.“

Vorhang auf!

Dieses Spiel ist ein ewiges, das es gilt, in allen Branchen zu beherrschen, Industrie, Wissenschaft, Medien, Kultur, egal. Besonders hervorgetan hat sich erst jüngst wieder die Politik mit zwei Bayern-Stars, deren Frage-Antwort-Spiel etwas scheinbar Vergangenes, aber nur allzu Präsentes, unter den Teppich kehren sollte.

Wenn Republiksteuerer so einfach in der Lage sind, Schlimmes ins Reich des Nichterinnerlichen zu drängen, wird es Zeit, Projektsteuerern unter die Arme zu greifen, denn diese können schon über deutlich kleinere Dinge, nachgerade Nebensächlichkeiten, stolpern und fallen.

Als Senior Project Supervisor der weltweit größten Content-Marketing-Agentur Deutschlands trage ich schließlich auch branchenweite Verantwortung. Wenn nicht sogar eine Branchen-übergreifende, eine Branchen-vereinende.

Vorhang auf also für 25 Konter auf 25 zu klärende Fragen, wie sie in jedem Projekt gestellt werden können:

  1. Das Projekt ist nicht in Verzug. Ich habe die Deadline nur angepasst.
  2. Der Praktikant trägt die Verantwortung dafür. (Anm.: Es eignen sich ebenso nahestehende Verwandte wie Bruder oder Schwester.)
  3. Der Praktikant ist heute leider nicht da.
  4. Morgen auch nicht.
  5. Und überhaupt: Die Deadline war sowieso schon vorbei.
  6. Mein Chef hat mir gesagt, dass das noch warten kann.
  7. Wir hoffen noch auf die Freigabe von Legal. (Anm.: Alternativ auf HR, auf den Betriebsrat oder auf den Einkauf.)
  8. Hat das Controlling diesen Abschnitt nicht gestrichen?
  9. Ich dachte, das wäre schon längst erledigt.
  10. Ich dachte, das hätten wir schon längst abgesagt.
  11. Dafür müssen wir erst einen Prozess aufsetzen.
  12. Für das Aufsetzen des Prozesses müssen wir erst einen Prozess aufsetzen.
  13. Wir hätten ein schriftliches Briefing gebraucht.
  14. Wir hätten ein schriftliches Rebriefing gebraucht.
  15. Das ReReBriefing war unvollständig. Obwohl es schriftlich war.
  16. Ach, Ihre E-Mail war nicht korrekt?
  17. Das Formular hätten Sie mir als Fax schicken müssen. (Anm.: Zu variieren je nach vorhandenem Kommunikationsmittel!)
  18. Wollten Sie schnelle Erfolge oder eine Strategie?
  19. Be perfect, be fast, be cheap. Pick two of them.
  20. Das ist keine Ausrede, das erkennen Sie an der Spesenrechnung.
  21. Ich musste mich tief eingraben, in dem Projekt steckt unglaublich viel. Das dauert länger.
  22. Ich musste erst noch die Projektzeiten eintragen, da hatte ich keine Zeit mehr für das Projekt.
  23. Ich erinnere mich nicht.
  24. Wirklich nicht.
  25. Projekt? Welches Projekt?

Meine Kolleginnen, Kollegen und ich verbürgen uns für das Funktionieren dieser Antworten. Viel Erfolg damit!

Und wenn es einmal wirklich ernst wird: Haltung zeigen. Man gewinnt mehr, als man glaubt zu verlieren.


Die europaweite Ausredenforschung zeigt, dass überrollte Laptops und gefräßige Haustiere an Glaubwürdigkeit verloren haben. In Holland führt man gerne an, dass der Zug stehen geblieben sei und man helfen musste, ihn in den Bahnhof zu schieben.

Für Reisende, die mit der Deutschen Bahn unterwegs sind, ist dies höchst plausibel.


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Veröffentlicht von Buddy Müller

Senior Project Supervisor bei der weltweit führendsten Content-Marketing-Agentur Deutschlands.

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6 Kommentare

  1. Eine Liste mit Potenzial, da dürfte für jeden etwas dabei sein 😃

    Eine Antwort hätte ich noch für den Fall, dass auf die Schnelle kein Schuldiger zu finden ist:
    „Das Waren die Kollegen Niemand, Jeder und Jemand“
    (Niemand hat es erledigt, weil jeder dachte jemand wird sich schon kümmern…) – diese Drei arbeiten erstaunlicherweise in jeder Firma, egal welcher Branche.

    Gefällt 2 Personen

      1. Hallo Buddy,
        ich wollte Dir einen positiven Kommentar schreiben.
        Leider ist er mir in der Hektik in einen Papierkorb gefallen.
        Das Papier wurde bereits geschreddert.
        Jetzt muss ein Prozess eröffnet werden, um herauszufinden, wie der Kommentar zu Deinen Gunsten ausfallen könnte.
        Ich bitte um etwas Geduld, da vorher noch einige andere, sehr wichtige Prozesse durchgeführt werden müssen.
        Herzallerliebste Grüße
        Die automatische Ausredenfuntion😂❤️

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      2. Lass mich raten – der erste Prozess ist ein Prozess zum korrekten Erwerb von Papierklebstoffen, um das geschredderte Papier wieder zusammen zufügen? Sollen wir schon mal eine Deadline festhalten? Q1/2025?
        Vielen Dank!! 😂

        Gefällt 1 Person

      3. Hallo Buddy,
        ich wollte Dir einen positiven Kommentar schreiben.
        Leider ist er mir in der Hektik in einen Papierkorb gefallen.
        Das Papier wurde bereits geschreddert.
        Jetzt muss ein Prozess eröffnet werden, um herauszufinden, wie der Kommentar zu Deinen Gunsten ausfallen könnte.
        Ich bitte um etwas Geduld, da vorher noch einige andere, sehr wichtige Prozesse durchgeführt werden müssen.
        Herzallerliebste Grüße
        Die automatische Ausredenfuntion😂❤️

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  2. HidiHo mein Bester!

    Ist ja völlig ungewohnt, dass ich mich quasi mit den Ellenbogen durch die ganzen Kommentatoren boxen muss – gefällt mir, der Zustand.. 🙂
    25 Ausreden – im engeren Sprachgebrauch auch als lügen bekannt (wobei sich mir der Begriff Notlüge nicht so ganz erschließt – Lügen bleibt doch irgendwie lügen, egal ob der Grund jetzt irgendwie moralisch vertretbar ist) – und zu ganz neuen Höhenflügen bei einem Präsidenten von Gods own Coutry jüngerer Vergangenheit mutiert ist, unter dem Begriff „alternative Fakten“, wobei Fakten mit Meinungen gleichgesetzt wurde – was de Facto schon falsch ist.

    Aber egal – Lügen (gut, nennen wir es „Ausreden“) gibt es seitdem der Mensch aus dem Paradies geschmissen wurde – oder glaubst Du das Märchen der „unbefleckten Empfängnis“?.. Ha, da hat Maria dem Josef ein Kuckucksei ins Netz gelegt, das ist doch wohl klar.

    Erinnert mich stark an eine Geschichte aus den USA (WO SONST?), wo eine weiße Frau (verheiratet mit einem weißen Mann) ein farbiges Baby zur Welt brachte und dem verdutzten Ehemann erzählte, die Hautfarbe wäre deshalb so dunkel, weil Sie während der Schwangerschaft so viel Schokolade gegessen hat. Er soll das sogar geglaubt haben..

    Gut, in den USA kann man das in einigen Bundesstaaten durchaus glauben – da ist ja auch die Evolutionstheorie in den Schulen auf dem Index und die Kleriker holen wieder die verstaubte Schöpfungstheorie raus. Na, geb‘ denen noch ein paar Jahre, dann sind öffentliche Hexenverbrennungen wieder in. Ich hab da ein gutes Gefühl, dass die Menschheit sich – auch (und grade) mit Hilfe der KI – zurückentwickelt. Und das in einem atemberaubendem Tempo.

    Gut Bayern lassen wir jetzt mal außen vor – die haben sich ja eigentlich in 100 Jahren kein bisschen weiterentwickelt – da braucht man sich auch nicht zurückentwickeln um das nächste mal im Jahr ’33 eine Machtergreifung zu feiern. „Jo mei, solang’s kein Ösi ist, oans, zwoa, gsuffa“ wird man da wohl im Bierzelt singen..
    Und was das lügen angeht, da habe ich, als ich noch am Anfang meiner IT-Karriere war an der Microsoft-Hotline die dollsten Ausreden gehört, warum der Lizenzkey nicht mehr auffindbar ist.
    1. der Hund hat die Verpackung gefressen (kennt man ja – Hunde lauern nur darauf die verhassten Microsoft Verpackungen zu verschlingen)
    2. Die Putzfrau hat den Aufkleber mit scharfem Reiniger beim schrubben unleserllich gemacht (so eine Putzfrau hätte ich gern, die sogar unter dem Schreibtisch die Rückseite des PC’s abschrubbt)
    3. Die Schrift ist so klein, dass man die nicht lesen kann (abfotografieren mit Smartphone und dann vergrößern könnte eine Option sein)
    4. Der Kaufbeleg ist leider ebenso wie die Verpackung und die CD von der Mutter in den Abfall geworfen worden..
    Allen gemeinsam ist immer gewesen, dass unbedingt – am besten gestern – geholfen werden muss, weil eine Klausur-Arbeit (Doktor-Arbeit, Schulaufgaben, Testament – je nach Altersgruppe halt) am nächsten Tag auf Abgabe wartet und microsoft jetzt Schuld ist, dass man auf die Hilfe der Hotline angewiesen ist.
    „DER KUNDE LÜGT!“ ist deshalb das erste Gesetz, was Dir eingebläut wird. Und es stimmt immer!
    Nur ich bin immer ehrlich. So, jetzt entschuldige mich – ich muss los und weiter meine Eier ausbrüten. Wir Reptiloiden freuen uns zwar über die Erderwärmung (hilft die Nestwärme zu halten), trotzdem müssen wir ab und zu mal einen Blick auf die Brut werfen..

    Bleib gesund..

    CU
    P.

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